Ausstellung
Cultural Affairs
Im Auftrag des | GRASSI Museum für Angewandte Kunst |
Zeitraum | 2021 |
- Ausstellungsgestaltung
- Umsetzung
Das GRASSI Museum für Angewandte Kunst zählt europaweit zu den führenden Häusern für Gestaltung und angewandte Kunst. Es zeigt wechselnde Ausstellungen zu Kunsthandwerk, Design, Fotografie und Architektur. Mit der Sonderausstellung Cultural Affairs setzt sich das Haus mit dem Themenkomplex kultureller Vernetzung und Austausch in einer globalisierten Welt auseinander.
Ins Thema eintauchen
Ausgangslage
Diese Ausstellungsgestaltung ist unser erster Auftrag für ein Museum mit starkem Fokus auf auratischer Exponatspräsentation und die mit über 800 qm Nettofläche unsere bisher größte Ausstellung. Das vielschichtige und zugleich sensible Thema verlangt absolute Feinfühligkeit – auch in der Gestaltung. Besonders herausfordernd ist es, die vielen stark unterschiedlichen Typen von inhaltlich verknüpften Exponaten (raumgreifende Einzelexponate und kleinteilige Werkgruppen, Stoffe, Gebrauchsgegenstände, Fotografien, Plastiken, digitale Exponate, physische und digitale Dokumentationen) in einen ästhetischen Gesamtzusammenhang zu bringen.
„Die Sonderausstellung sprach viele soziale und politische Themen an, weswegen die Vermittlung auf möglichst vielen Ebenen für die Ausstellung besonders wichtig war. ungestalt fand dafür sehr kreative und experimentelle Lösungen.“
Silvia Gaetti, Kuratorin Asiatische Kunst, GRASSI Museum
Vom Großen ins Kleine
Konzeptionelle Herangehensweise
Gemeinsam mit Kuratorin Silvia Gaetti nähern wir uns der Ausstellungsgestaltung vom Raum her. Den länglichen Hallenkörper gliedern wir mit Zwischenwänden in drei thematisch eigenständige, quadratische Bereiche. Für jeden leiten wir die Platzierung der Exponate aus den inhaltlichen Schwerpunkten der Ausstellungskonzeption ab und setzen sie baulich unterschiedlich um. Dabei sind prägnante und überraschend ungewöhnliche Sichtachsen sowie eine abwechslungsreiche Besucher:innenführung wichtig. Eine dezente Variation der Wand- und Schriftfarbe unterstreicht das jeweilige Raumgefühl.
Globale Verflechtungen
Szenografie im ersten Themenbereich
Unter dem Titel Globale Verflechtungen präsentiert der erste Bereich künstlerische Auseinandersetzungen mit der Vermischung und Übersetzung verschiedener kultureller Einflüsse. Die Künstler:innen bearbeiten kontrastreiche und farbenfrohe Objekte aus einer anderen kulturellen Perspektive. Durch das Aufeinandertreffen visueller Kulturidentitäten entstehen unvorhersehbare Resultate und ausdrucksstarke Exponate. Die Idee des Aufeinandertreffens übersetzen wir szenografisch in Themeninseln. Sie bestehen aus Werkgruppen, die sich durch freie Wegeführung stets mit im Hintergrund sichtbaren Exponaten an den Wänden vermengen. So haben Besucher:innen schier unendliche Möglichkeiten, zu kontextualisieren. Von der Decke hängende Stoffbahnen tragen Ausstellungstexte, verdecken manche Sichtfelder und geben andere überraschend frei.
Transkulturelle Begegnungen
Szenografie im zweiten Themenbereich
Transkulturelle Begegnungen können Transformationsprozesse anstoßen. Sie passieren oft unerwartet, zufällig, und sind Thema und Titel des zweiten Bereichs. Er präsentiert deutlich mehr und visuell ruhigere Exponate. Unsere gestalterische Grundidee ist die Verdichtung der gesamten Raumsituation für ein Gefühl der Nähe, Intimität und Begegnung. Dafür nutzen wir dunklere Raumfarbe, Spiegel als Reflexionsoberflächen sowie dichtere Wandhängung und Platzierung der Vitrinen. Auch die Laufachsen legen wir schmaler an als im ersten Bereich. Doch weiterhin überlassen wir den Besucher:innen die freie Wegewahl. Durch ganzseitige Spiegelfolie an den Vitrinen offenbaren die kleinteiligen Exponate gleichzeitig mehrere Blickwinkel und erweitern so ihre wahrnehmbaren Perspektiven.
Welt in Bewegung
Szenografie im dritten Themenbereich
Der dritte Bereich heißt Welt in Bewegung und präsentiert künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Heute und Morgen postmigrantischer Gesellschaften. Abwechslungsreiche Exponate thematisieren globale Mobilität, kulturelle Identität und Begleiterscheinungen gesellschaftlichen Wandels. Wir inszenieren visuell mit Deckenfahnen, die sich langsam durch die Länge des Raumes bewegen. Sie sind Sinnbild der sich beständig verändernden Wege kulturellen Austauschs. Besucher:innen bemerken die fluide Raumsituation erst auf den zweiten Blick, z. B. wenn eine Blick- oder Wegachse überraschend verdeckt wird. Zur Strukturierung der Elemente greifen wir auf eine Mischung von Exponatsgruppen und exponierten Einzelobjekten zurück.
What you see is what you feel
Grafisches Konzept
Für die grundlegende Farb- und Schriftgestaltung greifen wir auf das bereits vorhandene Motiv der Ausstellungsgrafik von Dona Abboud zurück. Unsere Ausstellungsgestaltung zitiert Schrift und Farbton und überträgt sie in den Raum. Unterschiedliche Grüntöne strukturieren und führen durch die einzelnen Abschnitte der Ausstellung. Die Schriften aus Werbeplakat und Ausstellungskatalog nutzen wir für alle Textelemente der Ausstellung.
Leuchtkästen
Elemente der Vermittlungsarbeit
Neben einer exzellenten Exponatspräsentation wünscht sich die Kuratorin, Informationen und Impulse zur weiteren Auseinandersetzung mit der Ausstellung zu integrieren. Eine Lösung sind die Leitfragen der Ausstellungskonzeption auf überlebensgroßen Leuchtkästen. Zwei dieser Leuchtkästen platzieren wir am Übergang der einzelnen Ausstellungsabschnitte.
Der richtige Rahmen
Ein- und Ausgangsbereich
Den verhältnismäßig kleinen Vorraum gestalten wir dunkel. Darin inszenieren wir die zweisprachige Ausstellungseinleitung, eine Lichtinstallation des Ornaments der Ausstellungsgrafik und ein interaktives Exponat der Bundeszentrale für politische Bildung. Der Wechsel von eng-dunkel (Vorraum) zu weit-hell (erster Themenbereich) schickt Besucher:innen auf Entdeckungsreise. Der Ausgangsbereich der Ausstellung nimmt die dunkle Farbe des Eingangsbereiches wieder auf und dient als Ruhe- und Reflexionsort. Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen der Museumsvermittlung entwickeln und installieren wir Punchneedle-Rahmen für die Nutzung durch Besucher:innen. Essentielle Ergänzung im Zentrum des Raumes ist eine Sitzgruppe.
Der Prozess geht weiter
Erkenntnisse und Learnings
Aufgrund ihrer vielseitigen Materialität und Beschaffenheit ist die gemeinsame Präsentation kunsthandwerklicher Exponate eine besonders spannende Herausforderung. Ändert sich im Prozess der Ausstellungsgestaltung aus kuratorischen Gründen ein einzelnes Exponat, finden wir immer wieder neue Lösungen und Präsentationsformen. Einige Kunstwerke kennen wir erst zum Zeitpunkt der Lieferung durch die Künstler:innen. Ein solch flexibler Umgang mit den vorhandenen Begebenheiten ist dank des herzlichen und aufgeschlossenen Miteinanders mit der Kuratorin Silvia Gaetti und dem Produktionsleiter Thomas Camphausen für uns durchweg eine lehrreiche, schöne Zusammenarbeit.